Samstag, 8. Februar 2014

Eine Wintergeschichte

WINTERTAGE DER KINDHEIT

von Inge Karl

Wenn ich an meine Kindheit zurück denke, erinnere ich mich, dass
die Winter immer sehr kalt waren. Meine Brüder bauten hinten im
Garten Iglus, die die Mädchen natürlich nicht betreten durften.
Das war das Territorium der Jungs. Bis sie auf die Idee kamen, für
ihre Schneehöhlen Eintritt zu verlangen: Für 2 Pfennig durfte auch
ein Mädchen einen Iglu von innen sehen.
Zum Schlittenfahren nahmen sie uns allerdings immer gerne
mit. Wir waren die Galionsfiguren vorne drauf. In der Schleswiger
Straße gab es eine tolle Schlittenbahn, von Brücke zu Brücke.
Und in der Marienhölzung gingen wir Schlittschuhlaufen, auf der
„Schwarzen Eisenbahn“. Das war uns zwar streng verboten, weil
man dort einbrechen konnte, aber unsere Eltern wussten ja nichts
davon. Sie dachten immer, wir wären auf den Tennisplätzen. Diese
wurden damals künstlich überschwemmt und froren zu, so dass
eine schöne, große Eisfläche entstand. Das Schlittschuhlaufen
war dort allerdings nicht umsonst. Auf dem einen Platz zahlte man
20 Pfennig, weil dort gefegt wurde und das Grammophon spielte,
auf dem anderen zahlte man nur 10. Wir entschieden uns meistens
dafür, gar nichts zu bezahlen, sparten das Geld und gingen zur
„Schwarzen Eisenbahn“.
Abends, wenn wir vom Spielen im Schnee nach Hause kamen,
duftete oft das ganze Haus, weil unsere Mutter Bratäpfel in das
Rohr von unserem alten Kachelofen stellte. Wenn mein Vater zu
Hause war, saß er immer auf dem Sofa. Er machte das Licht aus
und während wir Bratäpfel aßen, erzählte er uns selbst erdachte
Märchen. Gespannt hörten wir zu, wenn er von Zwergen berichtete,
die in den Wald gingen und dort Goldklumpen fanden, die sich in
Pferdemist verwandelten, wenn man ungezogen war. Er nannte
das unsere Dämmerstunde. Ich selbst habe diese Geschichten
später auch meinen Kindern erzählt.

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